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Mathematik, Naturwissenschaften

Leibniz


Herrn von Leibnitz Rechnung mit null und eins, und aus selbiger fliessender Erklärung der Chinesischen uralten Characteren des Fohi, wie die Nachricht davon ehemals des Herrn Tentzels curiöser Bibliothek einverleibet gewesen.

Denen Curiosis insgemein, sonderlich den Mathematicis und Rechen-Meistern offerire ich etwas recht neues, welches der Herr Geheimde Raht von Leibnitz zu Hanover erfunden, und mir nach seiner gewöhnlichen Gütigkeit neulichst communiciret hat. Wenn man die Zahlen nach der Progressione denaria schreibet, so gehen die Ziffern von 0 bis 9, nemlich, 0. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. und denn fängt man wieder an, und schreibet Zehen mit 10. Schreibet man nach der progressione quaternaria, so sind die Characteres 0. 1. 2. 3. also nicht über 3. und vier schreibt man, (von vorn anfangende) mit 10. Also endlich nach der Progressione binaria, sind die Characteres nur 0. 1. und zwey schreibet man, [von vorn anfangende] mit 10. Wenn nun 2. bedeutet wird mit 10.
So wird 4. bedeutet mit 100.
und 8. mit 1000.
und 16. mit 10000.
und 32. mit 100000.
und 64. mit 1000000.

Und so fort in infinitum; und die Zahlen kommen also unter einander zu stehen:

0

0

 

10000

16

1

1

 

10001

17

10

2

 

10010

18

11

3

 

10011

19

100

4

 

10100

20

101

5

 

10101

21

110

6

 

10110

22

111

7

 

10111

23

1000

8

 

11000

24

1001

9

 

11001

25

1010

10

 

11010

26

1011

11

 

11011

27

1100

12

 

11100

28

1101

13

 

11101

29

1110

14

 

11110

30

1111

15

 

11111

31

Diß ist Numeratio Arithmeticae binariae, folgen die vier Species:

 

11

3
 

1

1
ADDITIO

. .

 
 

100

4

Nemlich in der ersten Columna zur Rechten, 1, und 1, macht 10. (das ist zwey,) schreibe 0. behalte 1, im Sinn: oder vielmehr solches besser zu behalten, mache einen Punct unter die folgende Columnam, so allda 1, bedeutet. Weiter in der andern Columna. 1, und 1, macht wieder 10, schreibe 0. behalte 1, in die dritte Columnam; also macht, 11, und 1, so viel als 100. das ist, 3. und 1. macht 4.

SUBTRACTIO ist additio inversa.

MULTIPLICATIO geschicht, ohne dass man vom Einmahleins etwas anders brauche, als dessen blossen Anfang, nemlich, Ein mahl eins ist eins: und was man sonst auswendig lernen, oder an den Fingern abzehlen muß, (als zum Exempel, daß drey mahl drey Neun mache) das findet man hier a priori ex calculo. Denn wie hiebey zu sehen, 11. durch 11. macht 1001.

 

11

3

11

3

11

 

11  

 

.    

 

1001

9

DIVISIO geschicht hier ohne zu versuchen. Denn man ja in quotiente nichts anders nehmen kan, als 0, wenn das obenstehende kleiner, als der Divisor; oder 1, wenn es nicht kleiner, wie aus beystehendem Exempel zu sehen, da 1111 (das ist 15) dividiret durch 11. (oder 3.) giebt 101, (oder 5.)

Diese Art zu rechnen wird nicht zu dem Ende angezeigt, daß man sie im gemeinen Gebrauch einführen solle, sondern nur allein, weil sie trefflich dienet zu neuen Erfindungen in Scientia numerorum. Denn alles gehet dergestalt per periodos. Denn in den numeris naturalibus ordine scriptis, ist die erste Columna zur rechten Hand 01, 01, 01, & c. Die andere 00001111 00001111 & c. Die dritte 0000000011111111, die vierdte 00000000000000001111111111111111, und so fort in infinitum. Und findet sich, daß die quadratiCubi, biquadrati & c. auch per periodos gehen; welches schöne theoremata an die Hand giebt. Die Characteres Sinici, so dem Fohi zugeschrieben werden, bedeuten diese Arithmeticam binariam. Welche Bedeutung aber den neueren Chinesern gantz unbekannt, und daher weitgesuchte Auslegungen von ihnen erdacht werden.

Von Johann Neuhoff in der allgemeinen Beschreibung des Reichs Sina Cap. VIII. fol. 178. seqq. wird der Chineser Meynung also ausgeleget: Es theilen die Sineser den Chaos oder vermischten Klumpen, welchen sie einen Anfang aller Dinge zu seyn glauben, in zwo Haupt-Qualitäten, nemlich in Yn, welches sie das Verborgene und Unvollkommene und in Yang, welches sie das Offenbahre und Vollkommene nennen. Aus diesen beyden mit sich selbst multipliciret oder vermehret, sagen sie, seyn vier Symbola, Bilder oder Formen, und aus diesen vier, abermahl mit den beyden ersten vermehret, seyn acht Symbola, Bilder oder Formen, und endlich aus diesen acht, mit sich selbst vermehret, seyn 64 Symbola, Bilder oder Formen herfür kommen. Woraus denn erscheinet, daß dis Werck nicht so sehr auf die Wahrheit der Sachen selbst gegründet, als aus der Rechen-Kunst geholet, und durch Hülffe der Multiplication und Vermehrung befestiget sey. Sind demnach aus den beyden Principiis mit zwey vermehret, vier Formen kommen, und aus diesen vier, mit Yn und Yang vermehret, acht Formen worden; und endlich aus diesen acht, nach der Sineser Meynung, die anmuthige Varietät, und unterschiedliche Menge aller Dinge entstanden. Hierauf resutiret Neuhoff den Martinium, welcher vermeynet, daß die Chineser durch diese vier (oder vielmehr acht) Symbola, die vier Haupt-Materien, oder Elementen, und die vier Haupt-Qualitäten verstehen: da er doch selbst anderswo gestehet, daß diese Leute fünff Elemente statuiren, und die Haupt-Qualitäten gar nicht kennen. Ich habe aber nicht nöthig, mich hierbey aufzuhalten, sondern genug, aus dem Neuhoff die Art und Auslegung solcher Figuren zu entlehnen: Und damit man sehe, wie viel oder wenig obgemeldete Principia Yn und Yang jedweden Dinge mitgetheilet, pflegen sie dieselben auf besondere Weise zu schreiben oder abzubilden: als das Verborgene Vollkommene mit zween doppelten Strichen, wie hier zu sehen, - - aber das Verborgene Unvollkommene mit einem einigen Striche, so in der Mitte getheilet, also, - -; das offenbahre Vollkommene mit einem ungeteilten Striche, --; das offenbahre Unvollkommene mit zween gleich weit voneinander stehenden Strichen --. Also bilden sie auch die acht Symbola oder Formen mit besonderen Figuren, so aus lauter Strichen bestehen, ab:

als,

Den Himmel mit drey gantzen Strichen
——–
——–
——–
Die Erde mit drey getheilten,
— —
— —
— —
Den Blitz mit zween getheilten und einem gantzen, — —
— —
——–
Die Berge mit einem gantzen und zween getheilten ——–
— —
— —
Das Feuer mit zween gantzen darzwischen ein getheilter, ——–
— —
——–
Die Wolcken mit zween getheilten, darzwischen ein gantzer, — —
——–
— —
Das Wasser mit einem getheilten und zween gantzen, — —
——–
——–
Den Wind mit zween gantzen, und einem getheilten. ——–
——–
— —

Endlich pflegen sie auch 64. Symbola oder Formen mit dergleichen Strichen abzubilden, doch also, daß sie jedem Symbolo sechs Striche, deren etliche gantz, etliche getheilet zulegen.

Bis hieher Neuhoff, dessen Worte auch Dapperi Beschreibung des Kayserthums Sina pag. 56.57. von Wort zu Wort einverleibet sind. Ein mehrers von der gantzen Sache wird der gelehrte Leser finden in Philippi Couplet Confucio, Paragrapho VI. VII. & VIII. welcher weitläuffig ausführet, wie das gantze Fundament und Grund dieser Lehrer beruhe auf dem Buche Yekim, oder libro mutationum, wofern es anders ein Buch zu nennen, sind etliche wenig hierogyphische Linien und Figuren, welche der Urheber des Chinesischen Volcks, Fohi, da man noch von keinen Buchstaben wuste, seinen Nachkommen, wie einen Gordischen Knoten, aufzulösen hinterlassen. Dieses Buchs hatte Couplet schon droben im ersten Paragrapho gedacht, und selbiges merum aenigma genennet, welches erst, nachdem die Chinesische Monarchie 1800. Jahr gestanden, von einem Oedipo ausgeleget worden, nemlich vom Könige Ven vam, dessen Sohn Cheu cum noch weiter und ausführlicher darinnen verfahren, aber es hat einer so wohl als der andere, die Rätzel mit Rätzeln, hieroglyphischen Notis, und Mysteriis vermehret; bis 500. Jahr hernach der Chinesische Haupt-Philosophus Confucius, sich der Auslegung unterzoogen, und alle des Fohi Linien und Figuren theils ad naturas rerum, maxime elementorum, & quae cujusque propriae sunt affectiones & qualitates, theils ad mores ac disciplinas hominum, referiret. Er hat sich aber selbst so wenig Satisfaction damit gethan, daß er in seinem Alter über das Rätzel-Buch noch einmahl commentiren wolte, wenn ihn nicht der Tod daran verhindert hätte. Die Abergäubischen Nachkommen sind darüber in vielerley Irrthümer verfallen, und haben desto mehr Geheimnisse hinter diesen Linien und Strichen gesucht, je weniger sie davon verstanden; ja sie haben selbige gar zu Glücks-Würffen und Wahrsagen gemißbraucht. Diß Werck nennet Neuhoff Cap. II. p. 125. Ye King, und spricht, es werde wegen geheimer Sachen, so darinnen stehen, sehr hoch gehalten: und darinnen weitläuffig gehandelt von der Generation, Corruption, Fato, Weissagung aus dem Gestirn, und einigen natürlichen Principiis, jedoch nur schlecht und ungeschickt, ohne Beyfügung dero Ursachen und Unterscheid. Diß Buch gebrauchten die Sineser noch heutiges Tages in mancherley Weiß- und Wahrsagungen, da sie doch den rechten Verstand nicht wissen, oder nicht wissen wollen. Endlich schreibt man diesem Buche wunderseltsame Dinge zu, und solches nur der Ursachen halben, weil an dessen Verstand, wie man meynet, das Vorwissen verborgener Dinge und alles Ausgangs hanget. Die Figuren und Buchstaben dieser Sinesischen Schrift werden mit gewisser Antahl gantzer und halber Striche abgerissen, und dadurch natürlicher Dinge Ursprung, Gestalt und Eigenschafften, mit gantzen und halben Strichen, nach Beschaffenheit der Sachen, so zu bezeichnen, ausgedruckt. Weil Couplets Buch denen wenigsten Lesern bekannt, so will ich ihnen zu gefallen, das Haupt-Werck von den Figuren abschreiben, wie es fol. XLII. zu lesen; daraus zugleich in der aus dem Neuhoff droben excerpirten Beschreibung ein und anders zu ändern vorfallen wird.

DVU RERUM PRINCIPIA.

Perfectum.
——–

Imperfectum
— —

Quatuor Imagines ex duobus principiis proxime natae.

Majus Perfectum
——–
——–

Minus Imperfectum
— —
——–

Minus Perfectum
——–
— —

Majus Imperfectum
— —
— —

Octo Figurae ex quatuor Imaginibus promanantes.

Coelum.
——–
——–
——–
1.

Aquae monitum.
— —
——–
——–
2.

Ignis.
——–
— —
——–
3.

Tonitrua.
— —
— —
——–

Venti.
——–
——–
— —
5.

Aqua.
— —
——–
— —
6.

Montes.
——–
— —
——–
7.

Terra.
— —
— —
— —
8.

Has octo Figuras, ex quibus quatuor ad perfectum pertinent, in Orbem quoque describunt, cum mutuo inter sese, nec non vario, ad quatuor Mundi Cardinales aspectu: Quibus etiam Cardinibus quatuor Zodiaci puncta, Solstitialia scilicet, & Aequinoctialia, quibus dum media rursus jungunt, octo Zodiaci quoque puncta & quasi Mundi Cardinals describunt. Figuras interim sic describunt ut a capite primoque numero semicirculum quatuor constantem Figuris ac numeris, producant ad laevam; & mox alterum a capite (seu quinto numero) rursus orsi cum totidem numeris ac Figuris ad dexteram describant, Orbemque totum conficiant, hoc modo: 

Was Couplet aus dem Confucio von der Conjunction oder Opposition dieser Principiorum lehret, ist zu weitläuffrig, anhero zu überschreiben. Denn es läufft doch am Ende dahinaus, plane ut perspicuum sit, octo Figuris sic aliis alias opponi, ut non tam censeris possit oppositio rerum contrariarum, quam earum. quae vel permisceantur vel sibi mutuo succedant atque opitulentur, amica societas. Ehe ich aber die rechte Auslegung mache, achte vor nöthig, dem geneigten Leser im Kupffer dieses Monats eine siberne achteckichte Medaille vor Augen zu stellen. Das Original ist in dem Fürstlichen Medaillen-Cabinet zu Gotha, und desto rarer, je weniger ich mich erinnere, dergleichen in anderen Cabineten gesehen zu haben. Sie ist von feinesten Silber, auf das sauberste ausgepräget, und hat in der Mitten ein runtes Loch. Auf der einen Seite sind zwar obige acht Figuren oder Symbola, aber in einer gantz andern Ordnung, als beym Couplet zu sehen.

 

Was aber die Chinesischen Characteres auf dem Revers anlanget, überlasse ich dieselbe andern auszulegen. Vielleicht werden dadurch die beyden Solstitia und Aequinoctia bedeutet, welche nach Couplets obigen Worten sonst auch von den Chinesern zu diesen Figuren pflegen geschrieben zu werden. Die eigentliche Nachricht müssen wir aus China selbst erwarten, dahin der Herr Geheimde Rath Leibnitz versprochen, mit ehisten einen von mit in Hausblasen empfangenen Abdruck dieser Medaille zu schicken, an den daselbst sich aufhaltenden Missionarium, P. Bouver, welchem er schon vor dem Jahre von seiner neu entdeckten Arithmetica binaria part gegeben, auch dessen applausum in derAntwort allbereit erhalten hat. Die Medaille an sich selbst ist gar kein Courant-Geld, sondern sie muß auf eine sonderliche Begebenheit gemacht seyn. Denn wie aus der dritten Holländischen Gesandschafft ind Sina p. 62. 63. erhellet, so haben die Chinesische Kayser niemahls güldene oder silberne Müntze wollen prägen lassen, um aller Betriegerer, wozu die Chineser sonderlich geneigt sind, vorzukommen. Daher von dem Silber bey kleinen Stücken nur so viel mit einer Zangen oder Scheere abgeschnitten wird, als dasselbe, was sie kauffen wollen, werth ist. Oder wie Neuhoff p. 190. davon redet, die Wahren, so man kaufft, bezahlet man mit kleinen Stücklein Silbers, welche wie Schifflein formiret, und unterschiedliches Gewichts und Weths seyn. Gleichwie aber aus der andern Holländischen Gesandschafft p. 78. 79. zu sehen, daß güldene und silberne Schau-Pfennige, die wie Schilde gestalt, und mit Chinesischen Buchstaben bezeichnet, von den Unter-Königen und Feld-Herren pflegen zur Verehrung ausgetheilet zu werden; Also stehe ich in den Gedancken, es habe auch unsere acht-eckichte Medaille zu einem Geschencke gedienet, vielleicht unter den Gelehrten, wenn Licentiaten oder Doctores werden, von welcher Solennität Neuhoff pag. 232. seqq. mehrern Bericht giebt. Ich finde zwar auch beym Tavernier unter den Müntzen des Königs von Chada und Pera eine achteckichte, sie ist aber nur von Zinn mit Schlangen bezeichnet, und grösser als unsere.

Genug von der Medaille. Wir müssen das Haupt-Werck vollends ausmachen, und Anfangs sowohl den Erfinder, Fohi, als das Buch Ye-Kim, oder Ye-King, darinnen die Figuren geschrieben stehen, miteinander betrachten. Von beyden wollen wir noch einmahl Coupletium anhören, aus der Vorrede über die Chronologian Sinicam pag. 8. da er schreibet: Caeterum quod Historia Sinica, ut ab ipso Fohi gentis Conditore sumit exconditum, digna sit cui fides detur, argumento esse possunt, primo quidem, quod hodieque apud Sinas est primae auctoritatis, monumentum illud literis (si tamen litteris, & non lineolis potius) exaratum, quod Ye Kim dicitur, & ipsi Fohi a tota posteritate nullo refragante tribuitur, quas quidem lineolas seu figuras 64. (quarum singulae sex lineolis constat, partim integris partim interruptis commentatus fuit 1800. fere post annis, Rex Ven vam, & hujus filius Cheu cum, & sexcentis fere post annis ipse Confucius. Was nun den Erfinder Fohi anlanget, so ist aus Andreae Mülleri Basilico Sinensi p. 4.5. zu mercken, daß ihn etliche noch vor der Sündfluht zu Lamechs Zeiten, etliche aber 300. Jahr nach der Sündfluth stzen. Und der ersteren Meynung scheinet Müllerus selbst zugethan gewesen zu seyn: Denn warum hätte er sonst in Notis ad Abdallam pag. 22. da vom Fohi gehandelt wird, den Thubal Cain hierher referiret? Auch gehören diejenigen hieher, so mit Neuhoff pag. 364. sagen, daß Fohi im Jahr vor Christi Geburt 2952. zum Kayser in China erwehlet worden; denn um diese Zeit hat Lamech gelebet. Und Couplet selbst gehet nicht weit davon ab, wenn er in gedachter Praefation kurtz vor obangezogenen Worten a Fohi ad hunc usque annum 1683. quo haec scribimus, annos quater mille duntaxat sexcentos & triginta zehlet. Denn 1683 von 4630 abezogen, kommen 2947. Jahre heraus: und scheinet Coupletius denen zugethan zu seyn, welche die aeram vulgarem nach Christi Geburt um fünff Jahr von der vera zu differiren vorgeben.

Wäre damnach Fohi und sein Buch Ye Kim noch vor der Sündfluth gewesen, vor mehr als 4650 Jahren. Ich lasse aber diese Rechnung in ihrem Werth und Unwerth beruhen, und remarquire aus dem oberwehnten Arabischen Scribenten, Abdalla Beidavaeo, daß Fohi erfunden habe peculiare scribendi genus, Arithmeticam, Contractus & Rationaria. Zu der sonderbahren Art zu schreiben referiret Martinius unrecht die Figuren oder Symbola, von denen wir droben gehandelt, und bald mehr sagen werden. Kircherus machts viel besser, und schreibet in China illustrata p. 228. daß Fohi eine gewisse Art von Buchstaben erfunden, aus Schlangen und Drachen gemacht, davon er etliche in Kupffer beyfüget, wie auch Neuhoff thut pag. 224. und beyde melden, des Kaysers Fohi Buch von der Philosophie und Himmels-Lauff werde deshalben das Drachen-Buch genennet.

Mit grösserer Aufmercksamkeit ist anzusehen, was Abdalla bezeuget, daß Fohi die Arithmeticam erfunden. Denn dieses ist eben die von Herrn Geheimden Rath Leibnitzen nach so viel hundert , ja tausend Jahren, glücklich wieder gefundene Arithmetica binaria, welche alle die in des Fohi Rechen-Buche, Ye-King oder Ye-Kim, vorkommende Figuren glücklich auflöset: Wogegen alle der Chineser vergebliche Physicalische, Moralische und andere Grillen lauter Narretheyen sind. Wir wollen zu dem Ende alle droben aus dem Neuhoff und Couplet beschriebene Figuren nach den Regeln dieser Arithmetic ohne Mühe auslegen. Insgemein ist zu mercken, und die gantzen Eins bedeuten. Nun darff man nur die droben gesetzte Tabelle der Numeration conferiren, und wo zwey oder drey Zahlen im Fortgange sich finden, allezeit zu dem vorhergehenden so viel Nullen schreiben, als Zahlen in folgenden dazu kommen. Die Praxis wird alles klärlich vor Augen legen.

 

  — — 0 000 — —
— —
— —
0
  ——– 1 001 — —
— —
——–
1
—— ————— 010 — —
——–
— —
2
00 — —
— —
0 011 — —
——–
——–
3
01 — —
——–
1 100 ——–
— —
— —
4
10 ——–
— —
2 101 ——–
— —
——–
5
11 ——–
——–
3 110 ——–
——–
— —
6
      111 ——–
——–
——–
7

Hieraus sehen wir ohne weitläufftigen Beweiß, daß weder Perfectum noch Imperfectum, weder Majus noch Minus, weder Coelum noch Terra, noch die andern opposita hier statt finde sondern daß es die blosse Ordnung der Zahlen nach den Reguln der Arithmeticae binariae also erfordere. Gleichwie nun die acht dreystrichichten mit sich selbst multipliciret 64. machen; also wollen wir auch diese 64. Figuren mit einander in ihrer Ordnung hersetzen, und unsere ietzt gewöhnliche Zahlen beyfügen:

000000 — —
— —
— —
— —
— —
— —
0
000001 — —
— —
— —
— —
— —
——–
1
000010 — —
— —
— —
— —
——–
— —
2
000011 — —
— —
— —
— —
——–
——–
3
000100 — —
— —
— —
——–
— —
— —
4
000101 — —
— —
— —
——–
— —
——–
5
000110 — —
— —
— —
——–
——–
— —
6
000111 — —
— —
— —
——–
——–
——–
7
001000 — —
— —
——–
— —
— —
— —
8
001001 — —
— —
——–
— —
— —
——–
9
001010 — —
— —
——–
— —
——–
— —
10
001011 — —
— —
——–
— —
——–
——–
11
001100 — —
— —
——–
——–
— —
— —
12
001101 — —
— —
——–
——–
— —
——–
13
001110 — —
— —
——–
——–
——–
— —
14
001111 — —
— —
——–
——–
——–
——–
15
010000 — —
——–
— —
— —
— —
— —
16
010001 — —
——–
— —
— —
— —
——–
17
010010 — —
——–
— —
— —
——–
— —
18
010011 — —
——–
— —
— —
——–
——–
19
010100 — —
——–
— —
——–
— —
— —
20
010101 — —
——–
— —
——–
— —
——–
21
010110 — —
——–
— —
——–
——–
— —
22
010111 — —
——–
— —
——–
——–
——–
23
011000 — —
——–
——–
— —
— —
— —
24
011001 — —
——–
——–
— —
— —
——–
25
011010 — —
——–
——–
— —
——–
— —
26
011011 — —
——–
——–
— —
——–
——–
27
011100 — —
——–
——–
——–
— —
— —
28
011101 — —
——–
——–
——–
— —
——–
29
011110 — —
——–
——–
——–
——–
— —
30
011111 — —
——–
——–
——–
——–
——–
31
100000 ——–
— —
— —
— —
— —
— —
32

Wenn nun das Buch Ye-Kim oder Ye-King allerdings und ohne jemandes Widersprechen vom Fohi gemacht ist, und nicht die ersten Figuren von ein-zwey-und dreyen Strichen, sondern nur die letzten von sechsen in sich hält, wie Couplet nicht undeutlich zu verstehen giebt; so hat gedachter Kayser Fohi ein blosses Lust-Spiel mit den vier-und sechzigerley Zahlen vorgenommen, dergestalt, daß er allezeit zwey und zwey gegen einander gesetzt und verkehret. Als in der erstem lauter eins, in der andern lauter Nullen. In der dritten 010001. In der vierten umgekehrt 100010. In der fünften 010111. In der sechsten wieder umgekehrt 111010. In der siebenten 000010. In der achten wieder umgekehrt 010000. Und so fort an. Irren demnach die Chineser nicht nur darinnen, daß sie die aneinander hangenden und eine Figur machenden sechs Striche allezeit Theilen, und jedwede Helffte besonders erklären: sondern auch, daß sie mit ihrem Confucio die Auslegung von unten bis oben außmachen, da vielmehr die Striche, nach der sonst bey den Chinesern gemeinen Art zu schreiben, von oben herunter gehen. Am allermeisten aber irren sie, wenn sie dieses in Gegeneinandersetzung der Zahlen bestehendes Lust-Spiel zu unverantwortlichen Zeichendeutungen und Wahrsagereyen mißbrauchen. Sonst möchte wünschen, das bey ihnen so hoch gehaltene Buch Ye-Kim oder Ye-King selbst zu sehen, vielleicht könte zu dessen Erläuterung noch ein mehrers beytragen. Inzwischen müssen wir mit denen beym Couplet fol. XLIV. befindlichen Figuren zufrieden seyn, darunter wir aber die rechten Zahlen also placiren, daß wir mit Römischen Numeris anzeigen, wo jedwede in dem obigen Täfelein anzutreffen, und die Ziefern selbst gleich darunter setzen, um einem jedweden allen Zweiffel zu benehmen, daß anders nichts, als ein lusus ingenii, und blosse Zahlen-Versetzung darunter verborgen liege.

 

Da haben wir nun das gantze Geheimniß, worüber sich die Chineser länger als 2000. Jahre her, den Kopf vergebens zerbrochen haben, und muß man sie billig auslachen, da sie die klügste Nation unter der Sonnen seyn wollen, und sich rühmen, daß sie allein zwey Augen haben, andere Leute aber nur eins. Es leidet auch das ihnen von Isaaco Vossio zugetheilte höchste Lob ziemlichen Abbruch, und wenn er noch leben sollte, würde er sein Bekäntniß, daß die Chineser von den Europäern in der Astronomie übertroffen würden, auch auf die Arithmeticam extendiren müssen. Wir beschlissen mit Couplets wenig geänderten Worten: Atque haec est demum illa sexaginta quatuor Figurarum tabula, to ingeniorum Sinensium tetrica, ne dicam inutilis exercitatio aut labyrinthus, e quo ne Confucius quidem se potuit expedire. Solus Leibnitius filum Arianes invenit, summo imposterum merito omnibus Sinensium Philosophis praeponendus.

 


St.-Michaels-Gymnasium Metten
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