Thomas von Aquin

*1224/5 in Roccasecca bei Neapel   +7. März 1274 im Kloster Fossanova

 


Bonaventura und Thomas von Aquin
(Bibliothek der Abtei Metten)

 

Leben und Werk 

Text 

Die sog. "Gottesbeweise" 
(Ein Referat)

Weiterführende Literatur und Links 

 

Leben und Werk 

Thomas von Aquin entstammt der Familie der Grafen von Aquino. Schon als Knabe wurde er den Benediktinern von Montecassino anvertraut.

 Um 1239 begann er das Studium an der neugegründeten Universität Neapel. Dort erhielt er unter Petrus de Hibernia die bestmögliche Ausbildung in den „artes liberales“. 1244 trat er in den noch jungen Dominikanerorden ein. Auf seinem Wege nach Paris, wo er weiter ausgebildet werden sollte, wurde er von seiner Familie entführt, die ihn von seinem Entschluß abbringen wollte. Ihren Wünschen nach sollte er eine angesehene Stelle in der Kirche anstreben, um so Besitz und Einfluß seiner Familie zu fördern.Nach einjähriger Haushaft, die ihn jedoch nicht hatte umstimmen können, ging Thomas 1245 nun doch nach Paris, wo er bis 1248 studierte.

Dann folgte er dem deutschen Dominikaner Albertus Magnus nach Köln, wo dieser eine Schule für die Grundausbildung („studium generale“) seines Ordens aufbauen sollte. Dies waren die ersten Anfänge einer späteren Universität. Als „baccalaureus biblicus“ Alberts verfasste er einen Kommentar zu Jesaja. Außerdem gehen auf diese Zeit Hörernachschriften von Alberts Vorlesungen zurück.Albert erklärte seinen Studenten das gesamte ins Lateinische übersetzte Werk des Aristoteles. Durch diesen Kontakt mit Albertus Magnus wurde Thomas´ Entwicklung sehr gefördert.

Thomas kehrte 1252 nach Paris zurück, wo er als baccalaureus bis 1256 über die Sentenzenbücher des Petrus Lombardus las. In diesen Jahren entstand sein Werk „De ente et essentia“. 1256 wurde er Magister, konnte aber sein Amt wegen des Mendikantenstreites erst verspätet antreten. In diesem Streit verteidigte Thomas die Rechte der Mendikanten (Angehörige der Bettelorden) auch literarisch in dem Werk „Contra impugnantes“. In den nächsten drei Jahren verfaßte er auch die „Quaestiones disputatae de veritate“ und verteidigte die Rechte der Mendikanten in „Quaestiones quodlibet.  

1259 reiste Thomas über Valenciennes, wo er mit anderen Magistern die Studienordnung regelte, nach Italien. Dort vollendete er bis 1264 seine „Summa contra gentiles" Während seiner Lehrtätigkeit an der Ordensschule in Orvieto (1261 – 1265) legte Thomas das Buch Hiob aus. Sein schriftlich niedergelegter Kommentar bildet einen Höhepunkt der mittelalterlichen Exegese. In der Einführung zu dem Werk „Contra errores Graecorum“ äußert sich Thomas zu den Aufgaben des Übersetzers. Zwischen 1263 und 1268 stellte Thomas auf Bitten des Papstes aus Kirchenvätertexten einen Kommentar den vier Evangelien – die sog. „Catena Aurea“ –  zusammen, wobei er auch Texte der griechischen Kirchenväter heranzog, die im Westen bisher nicht oder kaum bekannt waren. In diese Jahre in Orvieto fällt auch das Offizium zum Fronleichnamsfest und das Verfassen einiger Gebete und des bekannten Hymnus „Adoro te“. Die Autorschaft des Thomas, zum Teil umstritten, wird in der Zwischenzeit von der Mehrzahl der Gelehrten anerkannt. In Orvieto begann Thomas, die Aristotelesübersetzungen des Wilhelm von Moerbeke zu verwenden. 1266 wurde er mit der theologischen Ausbildung seiner Mitbrüder in Rom betraut. Offensichtlich plante Thomas, zu diesem Zweck seinen Sentenzenkommentar neu zu überarbeiten, doch nahm er von diesem Plan dann Abstand und begann die Arbeit an seinem heute bekanntesten Werk, der „Summa theologiae“, mit der er die Themen der Theologie den Studierenden kurz und verständlich zusammenfassen wollte. Der zweite Teil und (unvollendet gebliebene) dritte Teil der „Summa“ entstanden allerdings erst in späteren Jahren (der zweite Teil 1270 bis 1272 in Paris, der dritte – in Paris begonnen – 1272/3 in Neapel.

1268 kehrte Thomas aus Rom nach Paris zurück, wo neue Konflikte um die Benützung der aristotelischen Philosophie in der Theologie und die vita religiosa der Mendikanten entstanden waren. Die in dieser Zeit entstandenen Bibelkommentare sind zum Teil Hörnachschriften, die möglicherweise von Thomas selbst durchgesehen wurden. In kleineren Schriften und quaestiones quodlibetales verteidigte Thomas das religiöse Ideal und Leben der Mendikanten. Ausserdem entstanden u. a. verschiedene Quaestiones disputatae und Kommentare zu Werken des Aristoteles. Thomas verfügte über die Begabung, sogar mehreren Sekretären verschiedene Abhandlungen simultan zu diktieren. In den o. g. Kommentaren versuchte Thomas so authentisch wie möglich zu bleiben, die besten Übersetzungen und umfangreiche Dokumentationen zu benützen und schwierige Stellen zu erklären, denn sein Ziel war es, die Hauptschriften des Aristoteles für das Studium zugänglich zu machen. In diesen Pariser Jahren wurde Thomas häufig in doktrinären Fragen um sein Gutachten gebeten. Seine Antworten hierauf sind häufig in Form kleinerer Schriften niedergelegt 

Nach dreijährigem Parisaufenthalt kehrte Thomas nach Italien zurück, gerufen von seinem Orden mit dem Ziel, mit dem Ziel, eine Studienausbildung ("studium generale") für die Dominikaner zu begründen. Er wählte Neapel als Sitz dieser neuen Schule und hielt Vorlesungen über die Psalmen. Daneben arbeitete er weiter am dritten Teil seiner "Summa" und verfasste eine Reihe weiterer Werke, z. B. Kommentare zu Teilen der Metaphysik des Aristoteles und das "Compendium Theologiae". Eine Reihe seiner Predigten, die er in diesen Jahren hielt, sind noch in lateinischer Sprache erhalten. 

Doch am Nikolaustag (6. 12.) des Jahres 1273 erlebte Thomas während der Messfeier eine nicht bis ins Letzte deutbare innere geistige Erfahrung, vielleicht auch eine Art körperlichen Zusammenbruches nach all den Jahren beinahe übermenschlicher Anstrengung. Er diktierte ab diesem Tag nichts mehr, so dass eine Reihe seiner Schriften unvollendet blieb. Ende Januar 1274 sollte er im Auftrag des Papstes zum II. Konzil nach Lyon reisen, doch langte er dort nie an. Bereits auf dem Weg erkrankt hatte er noch in Süditalien einen Unfall und musste aufgrunddessen die Reise abbrechen. In die Zisterzienserabtei Fossanova gebracht starb er dort am 7. März. 1323 wurde Thomas heiliggesprochen. Er gilt als einer der größten Theologen und Philosophen der Kirche und als der Repräsentant der hochscholastischen Theologie überhaupt. Seine "Summa" erachtet man als das bestgeordnete und tiefste Werk der katholischen Tradition.

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Text

Utrum Deum esse sit demonstrabile
STh I 2, 2

Ad secundum sic proceditur. Videtur quod Deum esse non sit demonstrabile162 1. Deum enim esse est articulus fidei. Sed ea quae sunt fidei, non sunt demonstrabilia : quia demonstratio facit scire, fides autem de non apparentibus est, ut patet per Apostulum, ad Heb. 11,1. Ergo Deum esse non est demonstrabile.

163 2. Praeterea, medium demonstrationis est quod quid est. Sed de Deo non possumus scire quid est, sed solum quid non est, ut dicit Damascenus. Ergo non possumus demonstrare Deum esse.

164 3. Praeterea, si demonstraretur Deum esse, hoc non esset nisi ex effectibus eius. Sed effectus eius non sunt proportionati ei: cum ipse sit infinitus et effectus finiti; finiti autem ad infinitum non est proportio. Cum ergo causa non possit demonstrari per effectum sibi non proportionatum, videtur quod Deum esse non possit demonstrari.

165 Sed contra est quod Apostulus dicit, ad Rom.1, 20:  "Invisibilia Dei per ea , quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur." Sed hoc non esset, nisi per ea, quae facta sunt, posset demonstrari Deum esse: primum enim quod oportet intelligi de aliquo, est an sit.

166 Respondeo dicendum quod duplex est demonstratio. Una quae est per causam, et dicitur "propter quid": et haec est per priora simpliciter. Alia est per effectum, et dicitur "demonstratio quia": et haec est per ea, quae sunt priora quoad nos: cum enim effectus aliquis nobis est manifestior quam sua causa, per effectum procedimus ad cognitionem causae. Ex quolibet autem effectu potest demonstrari propriam causam eius esse, si tamen eius effectus sint magis noti quoad nos: quia, cum effectus dependeant a causa, posito effectu necesse est causam praeexistere. Unde deum esse, secundum quod non est per se notum quoad nos, demonstrabile est per effectus nobis notos.

167 Ad primum ergo dicendum quod Deum esse, et alia huiusmodi, quae per rationem naturalem nota possunt esse de Deo, ut dicitur Rom 1,19, non sunt articuli fidei, sed praeambula ad articulos: sic enim fides praesupponit cognitionem naturalem, sicut gratia naturam, et ut perfectio perfectibile. Nihil tamen prohibet illud quod secundum se demonstrabile est et scibile, ab aliquo accipi ut credibile, qui demonstrationem non capit.

168 Ad secundum dicendum quod ,cum demonstratur causa per effectum, necesse est uti effectu loco definitionis causae, ad probandum causam esse: et hoc maxime contigit in Deo. Quia ad probandum aliquid esse necesse est accipere pro medio, quid significet nomen, non autem quod quid est: quia quaestio quid est, sequitur ad quaestionem an est. Nomina autem Dei imponuntur ab effectibus, ut postea ostendetur (q. 13a.1): unde, demonstrando Deum esse per effectum, accipere possumus pro medio, quid significet hoc nomen Deus.

169 Ad tertium dicendum quod per effectos non proportionatos causae, non potest perfecta cognitio de causa haberi: sed tamen ex quocumque effectu potest manifeste nobis demonstrari causam esse, ut dictum est. Et sic ex effectibus Dei potest demonstrari Deum esse : licet per eos non perfecte possimus eum cognoscere secundum suam essentiam.

 

Übersetzungshilfen 

162 - 165: demonstrabilis, e = beweisbar; ein "quod" - Satz ersetzt hier - wie auch im Folgenden - den AcI, wie er im klassischen Latein üblich gewesen wäre / articulus fidei =  Glaubensartikel / demonstratio, -onis  Beweis / facere = hier: bewirken / apparens, -entis = augenscheinlich /  patet =  es ist klar /ad Heb. 11,1: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht." /  Damascenus = Johannes von Damaskus / effectus, -us  = Wirkung /  est = hier: licet /  proportionatus, -a, -um =  verhältnismäßig => vgl. proportio, -onis = Verhältnis / ad Rom. 1, 20: „Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar." /  sed hoc non esset: ergänze: possibile /  primum enim... an sit: ordne: primum enim est, quod oportet intelligi de aliquo, an sit.

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166 - 167: quae est per causam: esse hier: erfolgen / simpliciter (Adv.): schlechthin / quoad (mit Akk.): für, hinsichtlich /  manifestus, -a, -um ~ apparens / cognitio, -onis = Substantiv zu "cognoscere" / ; eius effectus: eius bezieht sich auf causam /  praeexistere: vorher vorhanden sein /  unde: relat. Satzanschluß / Rom. 1,19: „Denn was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar; Gott hat es ihnen offenbart." /  praeambulus, -a, -um = vorausgehend / praesupponere = voraussetzen /  gratia = hier: Gnade /  perfectio, -onis =  Vollendung => vgl. perfectibilis, -e / scibilis, -e: Adj. zu scire /  ut =  hier: als capere =  hier: begreifen, erfassen

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168 - 169: loco definitionis ~ pro definitione /  probare =  hier: beweisen /  significare = bedeuten / quaestio, -onis : Substantiv zu quaerere (nicht im Sinne des terminus technicus) /  ab effectibus: ergänze suis /  unde: relat. Satzanschluß / demonstrando... effectum: per effectum demonstrando /  essentia, -ae = Wesenheit

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Interpretationshilfen

Thomas schickt einem seiner berühmtesten Texte, dem über die sog. "Gottesbeweise" ("Quinque viae"), in STh I 2, 2 die Überlegung voraus, ob ein Beweis für die Existenz Gottes überhaupt nötig ist oder ob diese nicht an und für sich bekannt ("per se notum") ist.

Thomas geht davon aus, dass es zwei Arten von Bekanntsein gibt:

- An sich bekannt und für den Menschen bekannt

- An sich, aber nicht für den Menschen bekannt.

An sich bekannt ist etwas, dessen substantielle Eigenschaften (ausgedrückt im Prädikat) bereits in seinem Subjektsbegriff impliziert sind, z. B. : "Der Mensch ist ein Sinnenwesen." "Sinnenwesen" gehört bereits zum Begriff "Mensch" unabdingbar hinzu.

Auch die Aussage "Gott ist" ist an und für sich bekannt, denn Gottes Wesen ist es zu sein.

Wenn dem Menschen aber sowohl Subjekt als auch Prädikat unbekannt sind, ist ihm das "per se notum" nicht automatisch zugänglich. Wir wissen nicht, was Gott ist und wir haben daher keine Einsicht in sein Wesen.

Daher müssen wir Menschen den Satz "Gott ist" durch etwas beweisen, was uns bekannter ist. Dieser Gottesbeweis erfolgt "a posteriori", nicht "a priori". Diese Beweisart bezeichnet Thomas als die "demonstratio quia" im Unterschied zur obigen "demonstratio propter quid". Wir Menschen können Gott nur aus seinen Wirkungen in der Welt erkennen, die uns bekannt sind ("per effectum"), denn unsere Erkenntnis ist - aufgrund unserer leib - seelischen Einheit - an unsere Sinne gebunden. Der Aufstieg des Denkens zu Gott beginnt bei unserer Erfahrung der sichtbaren Welt.

Davon gehen im Folgenden die "quinque viae" aus.

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Weiterführende Literatur und Links

Lexikon des Mittelalters, Bd. VIII, Sp. 706 - 711

Chenu, M. - D., Das Werk des Hl. Thomas von Aquin, Graz - Wien - Köln 1982

Heinzmann, Richard, Thomas von Aquin. Eine Einführung in sein Denken. Mit ausgewählten lateinisch - deutschen Texten, Stuttgart - Berlin - Köln 1994

(Das Buch versteht sich in seinem grundlegenden Charakter mit vielen Erklärungen  ausdrücklich auch als Einführung für die Kollegstufe. Für die sprachliche Arbeit an Thomas ist besonders auch das lateinisch - deutsche Glossar - abgestimmt auf die für Schulzwecke bestimmte Wortkunde -  sehr hilfreich)

Pesch, Otto Hermann, Thomas von Aquin. Grenze und Größe mittelalterlicher Theologie, Mainz 1988

Weisheipl, James, Thomas von Aquin. Sein Leben und seine Theologie, Graz - Wien - Köln 1980

 

Ausgewählte Artikel über Thomas von Aquin im www:

http://www.philosophenlexikon.de/thomas.htm    (sehr kurz)

http://www.heiligenlexikon.de/index.htm?BiographienT/Thomas_von_Aquin.htm

http://www.bautz.de/bbkl/t/thomas_v_aq.shtml    (mit weiterführender Literatur)

http://www.evh.tu-cottbus.de/MaikKoch/TvA/node6.html    (Kurzzusammenfassung)

 

Spezielles und Weiterführendes zu verschiedenen Themen:

http://www.hausarbeiten.de/rd/archiv/philosophie/philo-gottesbeweise.shtml  (Hausarbeit über die Gottesbeweise)

http://www.mager.purespace.de/reise/abba.htm  (Bilder aus der Abtei Fossanova)

http://touritaly.org/tours/montecassino/cassino01.htm    (Weitere Seite über Montecassino)

http://www.newadvent.org/cathen/10526b.htm      ( "  " )